Tipps gegen Mobbing
Psychoterror am Arbeitsplatz: Der Feind im eigenen Büro
4. September 2020, 7:00 Uhr aktualisiert am 4. September 2020, 11:50 Uhr
Mobbing, Bossing, Staffing: Psychoterror am Arbeitsplatz hat viele Gesichter. Nicht immer sind die Opfer die Angestellten. Warum Mobbing jeden treffen kann und wie man dagegen vorgehen kann.
Es beginnt oft mit kleinen Gemeinheiten. Tuschelei hinter dem Rücken des Kollegen, die Kaffeetasse wird versteckt, Arbeitsanweisungen nicht weitergegeben. Irgendwann eskaliert die Situation. Es kommt zum Konflikt am Arbeitsplatz. Die betroffene Person wird zur Zielscheibe von Schikanen und Demütigungen, solange, bis Abmahnungen oder Kündigungen drohen. Doch wie kommt es soweit? Wo hören Meinungsverschiedenheiten auf und wann fängt Mobbing an?
"Bei einzelnen Vorfällen spricht man noch nicht von Mobbing", sagt David Schmitt vom Deutschen Gewerkschaftsbund Bayern. Er ist Abteilungsleiter für Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. "Wenn es aber drei oder sechs Monate so geht und es immer wieder passiert, dann kann man sicherlich von Mobbing ausgehen." Wie weit verbreitet Mobbing in der Arbeitswelt tatsächlich ist, lässt sich ihm zufolge schwer sagen. "Aber wir sprechen da nicht von Einzelfällen."
Nicht jeder spricht darüber, wenn er gemobbt wird. Viele Betroffene schämen sich und gestehen sich nicht ein, dass sie gemobbt werden. "Wir nehmen aber nicht wahr, dass es Zeit zur Entwarnung wäre. Nach wie vor ist das Phänomen Mobbing in unterschiedlichen Ausprägungen präsent."
Mobbing kann jeden treffen
Neben dem Mobbing, bei dem das Opfer meist von Kollegen schikaniert wird, gibt es aber auch weitere Formen des Psychoterrors wie Bossing oder Staffing. Dabei kann der Vorgesetzte entweder selbst zum Aggressor werden - oder auch zum Opfer. "Mobbing ist Ausdruck der sozialen Verhältnisse in der Arbeitswelt ist", sagt Schmitt. Arbeitsplatzkonkurrenz oder Leistungsdruck schaffen häufig einen Nährboden, auf dem Mobbing gedeihen könne. "Wir stellen auch fest, dass Mobbing gerade dort anzutreffen ist, wo die Streitkultur fehlt, wo Beschäftigte nicht befähigt werden, mit Konflikten umzugehen und sie auch zu lösen."
Einen bestimmten Typ "Mobbingopfer" könne man in den meisten Fällen nicht feststellen. "Es gibt keine wirklichen Merkmale bei Tätern oder Opfern, anhand derer man sagen könnte, dass bestimmte Persönlichkeitsstrukturen einen prädestinieren, zum Opfer oder zum Täter zu werden", sagt Dr. Simon Hahnzog, Psychologe und Akademischer Direktor an der Augsburg Business School Steinbeis IFEM. Er setzt sich bereits seit Jahren mit dem Thema Mobbing in der Arbeitswelt auseinander. "Das einzige, das auffällt, ist, dass Frauen etwas öfter betroffen sind als Männer. Aber auch da ist der Unterschied nicht besonders groß."
Gerade bei Mobbing sei es wichtig, rechtzeitig zu handeln, denn die Folgen können für Betroffene laut Hahnzog dramatisch sein. "Im Vordergrund stehen dabei vor allem depressive Erkrankungen. Aber genauso gibt es auch psychosomatische Erkrankungen, gerade im Arbeitskontext, die zu langen Krankheitsphasen führen." Zudem gebe es Vermutungen, dass zumindest bei einem nicht unerheblichen Anteil von Suiziden das Thema Mobbing eine Rolle spielen könne.
Die vier Phasen des Mobbings
Bereits Anfang der 90er Jahre hat Diplompsychologe Heinz Leymann Mobbing am Arbeitsplatz in verschiedene Phasen eingeteilt. "Ganz am Anfang steht dabei ein ungelöster Konflikt. Dieser kann zwischenmenschlich sein, ist aber nicht selten etwas Fachliches oder Arbeitsbezogenes", erklärt Hahnzog. Darauf folgen erste Abneigungen und Schuldzuweisungen sowie vereinzelte persönliche Angriffe.
Danach beginnt Phase zwei - der Psychoterror. Differenzen weiten sich aus, der ungelöste Konflikt gerät in den Hintergrund. Die betroffene Person wird in die Rolle des Schuldigen gedrängt. "Das bedeutet, es finden über einen längeren Zeitraum kränkende Handlungen statt, die sich irgendwann generalisieren." Der Gemobbte wird zum Außenseiter - ist isoliert von der Gruppe.
In der dritten Phase wird das Opfer zum "Problemmitarbeiter" abgestempelt. "Er bekommt die Sündenbockrolle zugeschoben. Das wird vor allem auf der Beziehungsebene ausgetragen. Dazu gehören starke, intensive Kränkungen und Ausgrenzungen, so dass sich der Betroffene dauerhaft ganz unterlegen fühlt", sagt der Psychologe.
Zur endgültigen Eskalation kommt es in der letzten Phase. Dann geht Hahnzog zufolge meistens der Arbeitsplatz verloren - entweder, weil der Betroffene freiwillig geht, oder gekündigt wird, weil es vermeintliche Gründe gibt, dass derjenige nicht mehr so arbeitet, wie es von ihm verlangt wird.
Auf der nächsten Seite lesen Sie, was Unternehmen und Betroffene gegen Mobbing tun können.
Mobbing: Wie man gegen den Psychoterror vorgehen kann
Was Mobbingopfer tun können
"Das Problem der Mobbingopfer ist ja zunächst, dass sie so allein sind. Wenn man alleine ist, dann ist es sehr schwierig. Noch dazu, weil sich nicht so einfach jemand mit einem solidarisiert", sagt Hahnzog. Vieles läge an der Gruppendynamik sowie deren moralische Normen. Auch die Arbeitsorganisation, Fehlerkultur oder die Gestaltung der Führung und Kommunikation spielen bei Mobbing eine Rolle. Manchmal seien Kollegen sogar froh, dass nicht sie zum Opfer wurden.
Der Psychologe empfiehlt daher, sich nicht nur Unterstützer im privaten, sondern auch im beruflichen Umfeld zu suchen. "Man sollte sich gezielt überlegen, wem vertraut man, wen mag man? Und dann passiert schon etwas. Wenn man bereits zu zweit ist, ist man nicht mehr so in der Minderheit." Beim Mobbing gebe es oft einen Haupttäter. In dem Moment, in dem sich zwei Kollegen zusammentun, ändere sich die Machtstruktur. Dann stehe es plötzlich zwei gegen einen und das stärke schon einmal.
Schmitt empfiehlt, schnell zu handeln. "Man sollte das Verhalten nicht einschleifen lassen, sondern lieber Hilfe für sich organisieren. Dafür gibt es auch Anlaufstellen wie die Mobbing-Beratungsstelle." In den Landkreisen und Städten gebe es aber auch ehrenamtliche oder von der Kirche organisierte Beratungsstellen. Vor allem, wenn es ins Arbeitsrecht reingehe, sei auch die Gewerkschaft für Mitglieder eine gute Anlaufstelle.
Daneben können sich Betroffene auch innerhalb des Unternehmens Unterstützung beispielsweise beim Betriebs- oder Personalrat suchen, denn auch für den Betrieb sei so ein Fall von Interesse. "Die lang anhaltenden Folgen sind nicht nur für das Opfer immens, sondern auch für das Unternehmen, denn die Folgekosten sind enorm hoch."
Prävention in Unternehmen
Für Unternehmen gibt es zudem eine rechtliche Grundlage zu beachten, die sich "psychische Gefährdungsbeurteilung" nennt. Jedes Unternehmen ist durch das Arbeitsschutzgesetz dazu verpflichtet, eine Beurteilung bei der Gefährdung in der Arbeitssituation vorzunehmen. Seit 2014 gilt das auch für psychische Gefährdungen.
Nicht nur im sozialen Miteinander kann Hahnzog zufolge Mobbing entstehen, sondern auch aufgrund der Arbeitssituation. Als Gründe dafür nennt er hohe Termindichte, eine hohe Arbeitslast und schlecht geklärte Rollen oder Aufträge. "Wenn dann keiner Zeit hat, die Konflikte richtig zu lösen und es auch keiner so wirklich kann, dann kann eine Mobbingsituation entstehen", sagt Hahnzog.
Bei Mobbing spiele gerade das Verhalten der Führungskraft eine große Rolle. Schmitt und Hahnzog empfehlen daher, Mitarbeiter, allen voran Führungskräfte, für das Thema zu sensibilisieren und in Gesprächsführung und Konfliktmanagement zu schulen. "Eine gute Führungskraft ist keine gute Führungskraft, weil sie es fachlich drauf hat, sondern weil sie führen kann", betont Hahnzog. Dafür brauche sie Führungshandwerkzeug wie Gespräche führen, Gruppendynamiken erkennen und ein konstruktiver Umgang mit Konflikten. Erst dadurch und mit einer immer neuen Beurteilung der Arbeitssituation im jeweiligen Unternehmen könne Mobbing effektiver vorgebeugt werden.