Berufsportrait
Denken mit Fingerspitzen – Levi Knapp macht die Ausbildung zum Keramiker
23. Juli 2015, 13:59 Uhr aktualisiert am 23. Juli 2015, 13:59 Uhr
Was haben eine Rakete auf dem Weg zum Mond, Fliesen im Bad, ein Tonkrug und künstliche Zähne gemeinsam? In allen steckt die Arbeit von Keramikern. Diesen Beruf lernt Levi Knapp in Landshut an der Keramikschule. Die Königsdisziplin von Keramikern ist das Herstellen von Schalen, Figuren oder Vasen. Das macht Levi Knapp am liebsten. Darum träumt er auch von einem eigenen Laden.
Viele Jugendliche gehen bei der Berufswahl zielorientiert vor: Festanstellung, geregeltes Einkommen, verlässliche Arbeitszeiten. Levi Knapp hat eine andere Vorstellung von seiner Zukunft: Der 21-Jährige arbeitet gerne mit seinen Händen - kreativ, gestalterisch und plastisch. Das weiß er, weil ihm das Töpfern schon in der Schule Spaß gemacht hat. In seiner Heimat Würzburg besuchte er die Waldorfschule, wo er einen Kurs belegte und die Grundfertigkeiten des Drehens lernte. Drehen bezeichnet die Arbeit an einer Drehscheibe, mithilfe derer aus Ton Schalen, Krüge und andere runde Gefäße hergestellt werden. Sie werden anschließend in einem Brennofen gebrannt und dadurch fest.
Traum vom eigenen Laden
Levi Knapp hätte später gerne einen eigenen Laden, in dem er seine Erzeugnisse verkaufen und seine Kreativität entfalten kann. Also ein künstlerischer Weg. Das ist aber nicht unbedingt der vorgezeichnete Werdegang der Keramikschüler, erklärt Anette Ody, Leiterin der Staatlichen Keramikfachschule in Landshut. Im Gegenteil: Die Bandbreite sei vielfältig. Keramische Elemente begegnen einem in vielen Dingen des alltäglichen, aber auch des hochtechnisierten Lebens. Wer beispielsweise zur Toilette geht und sich anschließend die Hände wäscht, ist wahrscheinlich schon zweimal mit Keramik im wörtlichen Sinne in Berührung gekommen. Waschbecken und Klosetts sind in den meisten Fällen aus Keramik. Auch Fliesen, Dachziegel, Drainage-Röhren, in denen unterirdisch Wasser fließen kann, und künstliche Zähne werden aus gebrannter Erde hergestellt. In der Raumfahrt benötigt man Hochleistungskeramik. Auch Kachelöfen und Kamine enthalten das Material. "Labore wären ohne Keramik-Tische nicht denkbar, weil sie säurebeständig sind", sagt Anette Ody. Wer den Weg in die Industrie beschreiten möchte, kann sogar Keramikingenieur, Innenarchitektur oder Kunst studieren.
Es gibt zwei Wege, den Beruf Keramiker zu lernen. Zum einen kann man die Staatliche Keramikschule drei Jahre in Vollzeit besuchen. Der Abschluss ist den Zeugnissen einer Gesellenprüfung vor der Handwerkskammer gleichgestellt. Das ist deutschlandweit einmalig. Der zweite Weg führt klassisch über eine duale Ausbildung, die zum Teil in einem Betrieb und zum Teil an der Schule stattfindet. Dann sind die Schüler nur blockweise in Landshut. Levi Knapp hat sich für die Vollzeitversion entschieden. "Hier kann ich alle Bereiche kennenlernen. In einem Betrieb ist man meistens auf einen Bereich beschränkt", sagt er. Also etwa auf den Bereich Baukeramik oder auf die Gefäßherstellung, fügt er hinzu.
Anschließend kann man den Meister machen. Diesen bietet die Keramikschule in Landshut ebenfalls an. Schulleiterin Anette Ody spricht schon fast reflexartig von der fünfjährigen Ausbildung. "Viele hängen den Meister an", erklärt sie.
Auch Levi Knapp, der im Moment im zweiten Lehrjahr ist, möchte anschließend die Meisterklasse besuchen. Um zugelassen zu werden, gibt es an der Keramikschule eine Aufnahmeprüfung. Das sei aber normalerweise kein Problem für diejenigen, die gestalterisches Gespür mitbringen, macht Anette Ody deutlich. Ob das jemand hat, sehe man sofort an der Mappe, die Bewerber zusammenstellen und abgeben müssen. Sie soll zum Beispiel Zeichnungen enthalten und Bilder von eigenen Arbeiten.
An die Arbeiten stelle sie nicht die Ansprüche einer Hochschule, sagt Ody. Man soll einfach merken, dass der Schüler gerne zeichnet, schon mal etwas modelliert und Freude am Gestalten hat. Die Schüler sollen ja "denken mit den Fingerspitzen". Gleichwohl wählt Ody sorgfältig aus. "Wir wollen nicht, dass uns jemand enttäuscht wieder verlassen muss." Sie begründet das so: Die Stimmung an der Keramikfachschule sei eine ganz besondere, genauso wie die pädagogische Beziehung zwischen Lehrern und Schülern. "Die Schüler haben fast alle ein ausgesprochen inniges Verhältnis zu ihrem Beruf."
Mathe ist wichtig
Wenn sie den Eindruck hat, der Bewerber passt zur Schule, stehen die Chancen gut. Problematisch kann es dann höchstens noch beim Blick ins Schulzeugnis werden. Und zwar beim Fach - man höre und staune - Mathematik. "Darauf legen wir Wert", erklärt die Schulleiterin. In der Glasurtechnologie und in der Brenntechnik sind gute Rechenkenntnisse gefordert. "Die Schüler müssen den physikalischen Prozess im Vorfeld berechnen und etwa den Ausdehnungskoeffizienten des Materials ermitteln", erklärt sie. Wer in Mathe eine schlechtere Note als vier hat, wird von Ody mit großer Wahrscheinlichkeit keinen ihrer 28 Plätze erhalten.
Levis Eltern unterstützen ihn bei seiner Ausbildung. Denn als Vollzeitschüler verdient er - anders als bei einer dualen Ausbildung - kein Geld durch die Arbeit im Betrieb. Zusätzlich gibt es Ausbildungsförderung, also sogenanntes BAföG. Was er
später einmal in seinem Beruf verdienen kann, wisse er gar nicht, sagt er. Es scheint ihm auch nicht so wichtig zu sein. Ihm geht es um den Schaffens-
prozess. Das spürt man. Der Traum vom eigenen Laden ist somit nur folgerichtig.
Berufssteckbrief
Berufsbezeichnung: Keramiker/Keramikerin
Ausbildungsdauer: Drei Jahre
Ausbildungsform: Es gibt zwei Möglichkeiten den Beruf des Keramikers/der Keramikerin zu erlernen:
- Anerkannter Ausbildungsberuf in keramischen Betrieben (Ausbildung im dualen System im Betrieb und in der Berufsschule)
- Ausbildung an einer Berufsfachschule
Verdienst: Bei Ausbildung...
- ...in keramischen Betrieben:
1. Ausbildungsjahr 280 Euro
2. Ausbildungsjahr 325 Euro
3. Ausbildungsjahr 500 Euro.
- ...an einer Berufsfachschule:
Die schulische Ausbildung wird nicht vergütet.
Schulabschluss: Für die betriebliche Ausbildung ist kein bestimmter Schulabschluss vorgeschrieben. Empfohlen wird mindestens der qualifizierende Abschluss einer Mittelschule. Bei der Ausbildung an der Berufsfachschule für Keramik in Landshut wird ein qualifizierender Abschluss einer Mittelschule vorausgesetzt.
Beschäftigungsmöglichkeiten: In den Betrieben des Keramikerhandwerks, in Töpfereien, in sozialen Einrichtungen mit hauseigenen Töpferwerkstätten, in Betrieben der Herstellung von Bau- oder Industriekeramik und im technischen Modellbau.
Weiterbildung: zum Keramikermeister/zur Keramikermeisterin, bei vorliegender Hochschulzugangsberechtigung wäre auch ein Studium zum Bachelor Keramik-/Glastechnik möglich.