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AZ-Serie über Sportlegende Rosi Mittermaier ( 72): Die erfolgreichen Olympischen Winterspiele 1976 in Innsbruck
8. Januar 2023, 17:37 Uhr aktualisiert am 8. Januar 2023, 17:37 Uhr
Die Olympiasiegerin stand schon vorher fest.
Zumindest Klaus Mayr war über jeden Zweifel erhaben und überzeugt: "Der Sieg geht natürlich an Brigitte Totschnig. Für uns aber ist zwischen Platz zwei und zehn alles drin."
Wie sehr sich der Bundestrainer der deutschen Alpin-Frauen doch täuschen sollte. . .
Denn Abfahrts-Gold holte nicht die haushohe Favoritin aus dem Salzburger Land, sondern Rosi Mittermaier - an jenem 8. Februar 1976, bei den Winterspielen von Innsbruck.
Natürlich war die 25-Jährige von der Winklmoosalm bereits eine der weltbesten Skirennläuferinnen. Als Führende im Gesamtweltcup und achtfache Siegerin eines Weltcuprennens war sie zu den Spielen gereist - sieben Mal hatte sie in einem Slalom gewonnen, einmal in der Kombination.
Aber in der Abfahrt? Da galt sie als große Außenseiterin. Eine eine solide Top-Ten-Fahrerin - mehr nicht. Zumal da ja noch die schlechten Erinnerungen waren an die Piste auf der
Axamer
Lizum.
Im Februar 1975 war Mittermaier dort bei einem Training des Deutschen Skiverbands mit einem englischen Hobbyläufer kollidiert, der Bruch des linken Ellenbogens zwang sie zu einer mehrwöchigen Pause.
Aus heutiger Sicht unfassbar: Der DSV hatte die Sportlerinnen mitten während des Skibetriebs auf der öffentlichen Touri-Piste runtergeschickt. Gegen die Kritik am laxen Sicherheitskonzept verwahrte sich nach dem Unfall der wegen seines autokratischen Führungsstils berüchtigte DSV-Manager Heinz Krecek (Spitzname: "Idi Alpin") mit dem schlüssigen Argument: "Hättma die Pistn für uns sperrn lassen, hätt uns des 15 000 Mark kost."
Bei der letzten Abfahrt vor Innsbruck Mitte Januar in Bad Gastein wurde Mittermaier bei hundsmiserablen Bedingungen Letzte - mit Startnummer 1 machte die Rosi den Schneepflug für die Konkurrenz. Und doch hoffte sie auf eine Abfahrts-Medaille, so erzählte sie später von einer schlaflosen Nacht, die sie vor dem Rennen in Zimmer 12 der Pension Kapferer am Fuße der Lizum verbracht habe: "Da setzte sich ganz hinten in meinem Gehirnkastl der Gedanke an Bronze fest."
Übernächtigt und übernervös kam sie zum Frühstück. Dort löcherte sie ihren entgeisterten Coach Mayr mit
eigentlich längst geklärten Fragen: Welches Paar Ski sie im Rennen fahren, und wie sie Tor 18 am Felsenschuss kurz vor dem Zielhang nehmen solle. Servicemann Herbert Huber im Rückblick: "Ich hab denkt, jetzt hat's die Rosi erwischt."
Es lief dann auch erst alles wie erwartet. Mit Nummer 7 fuhr Totschnig überlegene Bestzeit, fast zwei Sekunden lag sie vor der bis dahin führenden Französin Daniele
Debernard. Auch Irene Epple, nach Totschning am Start, war chancenlos, die spätere Ehefrau von Theo Waigel wurde am Ende Zehnte. Dann kam die Rosi, mit Nummer 9 stürzte sie sich die Piste am "Hoadl" (2340 m) zu überlegenen Zwischenbestzeiten hinunter und lag am Ende 52 Hundertstel vor Totschnig. Die stärker eingeschätzte Schwester Evi, im Dezember Abfahrts-Siegerin von Cortina, reihte sich mit Nr. 11 letztlich auf Platz 13 ein.
30 000 Zuschauer waren begeistert. Selbst die vielen österreichischen Fans, die weniger dem verpassten Abfahrts-Doppelgold drei Tage nach Franz Klammer am Patscherkofel hinterhertrauerten - sondern die sympathische, ganze zwei Kilometer jenseits der Landesgrenze aufgewachsene Siegerin bejubelten. Und so erklang es im Chor: "Rosi, Rosi, noch einmal, es war so wunderschön."
Und die Rosi machte es noch mal. Drei Tage später im Slalom, als Innsbruck endgültig in Mittermaiermania versank, als 40 000 Zuschauer an der Piste und im Ziel standen, so viele wie noch nie zuvor bei einem Frauen-Torlauf. Mit 0,33 Sekunden Vorsprung auf die Italienerin Claudia Giordani holte sie das zweite Gold.
Als sie im Riesenslalom noch Silber gewann, zwölf Hundertstel hinter der Kanadierin Kathy Kreiner, war der Rummel um sie längst in vollem Gange, der Ansturm von Fans, Medien, Werbeschaffenden. Noch in Innsbruck sagte ein PR-Manager: "Von der Tiefkühltruhe bis zur Zahnpasta: Diese Frau bringt alles an den Mann."
Nur zwei Tage nach dem Riesenslalom trat sie als Stargast bei einer Gala von Radio Luxemburg in Dortmund auf. Zeitgleich verpflichtete "Bild" sie für Exklusiv-Kolumnen, in denen sie über bislang "20 Heiratsanträge" schrieb und ihren Glücksbringer, ein "goldenes Schweinchen am Handgelenk".
Nachdem es in München von Ministerpräsident Goppel noch die Bayerische Staatsmedaille in Gold gab, ging es im Autokonvoi heim nach Reit im Winkl. In einem Triumphzug, der entlang der B305 immer wieder zum Stillstand kam - in Bernau und Grassau, in Marquartstein und Unterwössen.
Manche verglichen die Szenerie mit 1954, der Heimkehr der Helden von Bern. Die Euphorie um die Gold-Rosi war grenzenlos, nur bei denjenigen nicht, die im bis zur Groteske ausufernden Getümmel von der gefeierten Skiheldin nichts mitbekamen, weil sich Fotografen, Journalisten und Fans handgreiflich um die besten Plätze prügelten.
Beim Empfang vor 700 Gästen im Hotel "Post" freute sie sich noch über einen Tanz mit Sepp Maier, der die Rosi so sicher in Händen hielt wie sonst den Ball im Tor des FC Bayern.
Doch Erfolg und Ruhm brachten natürlich auch Ärger mit sich. Zwei Wochen nach Innsbruck nahm sie sich einen Traunsteiner Rechtsanwalt gegen die zahlreichen Werbekampagnen, die ohne ihre Erlaubnis mit ihrem Foto angelaufen waren. Als Rosi Mittermaier schließlich im Mai 1976 den laufenden Vertrag mit dem DSV zum Saisonende
kündigte, war das nahende Karriereende schon abzusehen.
Sie selbst hielt sich den Rücktritt noch offen - bestätigte ihre Entscheidung dann aber bei einer Pressekonferenz wenige Wochen später Ende Mai. Mit 25 hatte sie im Skifahren alles erreicht, Ziele im Leistungssport sah sie keine mehr. 1980 fuhr sie dann nur noch als Zuschauerin zu den Winterspielen von Lake Placid. Als Touristin. Als größter Fan ihres Verlobten Christian Neureuther.
Teil 2: Die große Liebe Christian: Vom Jugendschwarm zum Partner fürs Lebeni