Bayern

Gegen Urteil zu Ausgangsbeschränkungen in Revision


Ein Schild mit der Aufschrift "Bayerischer Verwaltungsgerichtshof" hängt an der Fassade des Gebäudes.

Ein Schild mit der Aufschrift "Bayerischer Verwaltungsgerichtshof" hängt an der Fassade des Gebäudes.

Von dpa

Waren die strengen Vorgaben im Pandemie-Frühjahr 2020 unzulässig? Bayerns Verwaltungsgerichtshof findet ja und sorgt mit einem Urteil für Aufsehen. Zu Unrecht, findet die Staatsregierung. Online werden dagegen längst politische Folgen gefordert.

Bayerns Staatsregierung will das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) zu den Corona-Ausgangsbeschränkungen nicht akzeptieren. "Wir sind davon überzeugt, dass die Ausgangsbeschränkungen Ende März bis Anfang April 2020 zum Wohl und zur Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger Bayerns in der ersten Welle der Pandemie ein wirksames und richtiges Mittel waren", sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) der Deutschen Presse-Agentur in München. Daher gehe man jetzt in Revision - zuständig ist dann das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Anfang der Woche hatten die Verwaltungsrichter in Ansbach für viele überraschend die strengen Corona-Maßnahmen im Freistaat im Frühjahr 2020 für unzulässig erklärt. Die Richter bemängelten insbesondere, dass damals Einzelpersonen ohne besonderen Grund nicht ihre Wohnung verlassen durften. "Da hat der Senat gesagt, aus infektiologischer Sicht waren diese Personen nicht gefährdet", erläuterte VGH-Sprecher Andreas Spiegel die Entscheidung. Mehrere Medien hatten über den VGH-Beschluss berichtet.

Bayerns Regierung sieht es anders

Holetschek und die CSU-Freie-Wähler-Koalition sieht das anders: "Eine Vielzahl an Gerichtsentscheidungen hat bereits bestätigt, dass unser Weg ein rechtskonformer war. Klar ist: Wir mussten damals schnell und entschlossen handeln, in einer Situation, in der es noch wenig Erfahrung im Umgang mit dem Coronavirus gab." Zudem sei die Testinfrastruktur noch deutlich weniger ausgebaut gewesen und ein Impfstoff gegen das Virus habe noch in weiter Ferne gelegen. "Unser Kurs wurde von fast allen Parteien im Landtag mitgetragen. Das alles gilt es bei der Bewertung zu berücksichtigen", betonte Holetschek.

In dem Verfahren ging es um die Ende März 2020 erlassene Infektionsschutzmaßnahmeverordnung. Darin war festgelegt, dass das Haus "nur bei Vorliegen triftiger Gründe" verlassen werden durfte. Als triftige Gründe waren beispielsweise die Berufsausübung, Einkäufe, Sport und Bewegung im Freien oder das Gassigehen definiert.

Einerseits bemängelte der VGH, dass die Staatsregierung bei der Veröffentlichung der Verordnung Formfehler begangen habe. Darüber hinaus war die Ausgangsbeschränkung für die Richter aber auch unverhältnismäßig. Auch, weil Bayern über die damaligen Bund-Länder-Beschlüsse zu weit hinausging.

Richter hielten andere Lösungen für möglich

Zwar habe der Freistaat damals eine schlechtere epidemiologische Lage gehabt. "Diese bedrohlichere Lage spiegelte sich allerdings im ganzen süddeutschen Raum wider", heißt es in dem VGH-Beschluss. Nach Ansicht der Richter hätte es Möglichkeiten gegeben, die Bund-Länder-Vorgabe in Bayern zu verschärfen, ohne gleich eine generelle Ausgangsbeschränkung festzulegen.

Nach der bundesweiten Vorgabe durften sich die Menschen mit einer weiteren Person eines anderen Haushalts in der Öffentlichkeit treffen. Der VGH meint, es hätte gereicht, in Bayern diesen Kontakt zu verbieten, ohne gleich das Verlassen des eigenen Hauses zu untersagen. Nach Ansicht der Richter sei es für die Pandemie letztlich "unbedeutend", ob jemand allein oder mit den Angehörigen aus seinem Haushalt im Freien einfach nur verweilen wollte.

Tatsächlich gab es damals viele Diskussionen darüber, ob man sich beispielsweise noch auf einer Parkbank niederlassen darf. Rund eine Woche nach Inkrafttreten der Vorschrift stellte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) klar, dass man sich durchaus im Rahmen eines erlaubten Spaziergangs auch einmal hinsetzen dürfe. Bereits damals hatte die strenge Auslegung für massive Kritik gesorgt.

In den sozialen Netzwerken entbrannte in dieser Woche eine kontroverse Debatte über die politischen Folgen des Urteils. Unter dem Hashtag #söderrücktritt entluden alleine bis Donnerstagabend mehr als 7.700 Kritiker ihren Frust über die bayerische Corona-Politik und forderten vielfach auch den Rücktritt von Ministerpräsident Markus Söder (CSU).