Musik
Analog vs. Digital: Martin Steer über sein neues Album „Bad Stream“
9. Mai 2018, 10:46 Uhr aktualisiert am 28. März 2023, 15:23 Uhr
Mit "Frittenbude" ist Martin Steer aus Geisenhausen im Landkreis Landshut deutschlandweit bekannt geworden. Als "Bad Stream" zeigt er seine andere Seite
Sieben Jahre, so lange hat Martin Steer an seinem ersten eigenen Album gearbeitet. Immer wieder, wenn er nicht gerade Auftritte mit "Frittenbude" hatte, Alben einspielte, als DJ unterwegs war oder zusammen mit seinen beiden Bandkollegen über neuen Songs brütete. Stück für Stück, Track für Track, hier ein Musikschnipsel, da ein Songgedanke. Und ganz ehrlich, da ist sich Martin Steer sicher, ohne die moderne digitale Technik, die eine Musikproduktion über den ganzen Globus verteilt, wäre die Arbeit "Bad Stream" wohl nicht möglich gewesen. Umso spannender ist es, wie kritisch der Musiker mit der digitalen Welt umgeht. Die ersetzt schließlich nicht nur in der Musik die analoge.
Schattenseiten im Digitalen
Es ist nämlich ein kleines Wunder, dass ein Album wie "Bad Stream" in der heutigen Musiklandschaft überhaupt herauskommt. Voll mit sphärischen und wummernden Elektro-Sounds ist "Bad Stream" ein Konzeptalbum, das sich mit unserem digitalen Leben und seinen Schattenseiten beschäftigt. Deshalb klingt es auch ganz anders als der Sound, den man von "Frittenbude" gewöhnt ist. Vielmehr könnten die Lieder ohne Probleme zur Untermalung eines dystopischen Science-Fiction-Films wie "The Matrix" taugen, während Martin von den Abgründen hinter dem vermeintlich schönen digitalen Leben singt.
Vor ein paar Jahren hätte er sich selbst fast in der Welt aus sozialen Medien und schneller Anerkennung verloren, erzählt Martin. "Du bist nur noch auf das Smartphone vor dir konzentriert und nicht mehr auf das, was in deiner Umgebung vor sich geht", sagt er. Umso größer wurde das Interesse, herauszufinden, wie die digitale Welt funktioniert und die Erfahrungen in seiner Musik zu verarbeiten. "Ich bin Teil der letzten Generation, die noch ohne Smartphone aufgewachsen ist", sagt Martin. Er wurde 1986 geboren. "Und ich arbeite in einer Branche, die zu Beginn meiner Musikkarriere noch ganz anders funktioniert hat."
Klar, dass er sich deshalb schon länger mit der Spannung zwischen analog und digital, alt und neu beschäftigt. Sie spielte schon in den Liedern seiner ersten Band "Pandoras Box" eine große Rolle. Doch die Konsequenz, mit der er das Thema verfolgt, ist neu. "Bad Stream" ist kein Album, das man sich schnell mal zwischendurch reinzieht. Man muss sich Zeit dafür nehmen und im besten Fall die Lieder der Reihe nach anhören. Ganz so, wie es in der Zeit vor Streaming-Diensten wie Spotify üblich war. Ganz analog also, wenn auch im Digital-Format.
Ob Martin sich insgeheim die analoge Welt seiner Kindheit und Jugend zurückwünscht? Er lächelt und schüttelt den Kopf. Das Digitale hat nicht nur Schattenseiten. Ohne seine Vorzüge hätte "Bad Stream" wohl nie das Licht der Welt erblickt. Doch in einer Welt aus Fake News, Propaganda und Datenskandalen ist es wichtig, wach und kritisch zu bleiben: Bevor die Lieder von "Bad Stream" der Soundtrack zum wirklichen Leben werden.
Martin Steer über...
Analoge Musik: Gitarrenmusik ist mittlerweile fast schon vom Aussterben bedroht. Das trifft mich als Gitarristen natürlich besonders. Deshalb habe ich bei "Bad Stream" Möglichkeiten gesucht, mit der Gitarre zu arbeiten und ihren Sound im Jahr 2018 neu auszuloten. Ich finde, analoge Instrumente haben einen Klang, der sich digital nicht reproduzieren lässt.
Digitales Business: Das Musikgeschäft hat sich in den vergangenen sieben Jahren unglaublich verändert. Als wir mit "Frittenbude" angefangen haben, wurde Musik noch über illegale und legale Downloads und mehr auch auf CD konsumiert. Man hat sich ganze Alben angehört. Heute läuft sehr viel über Spotify und einzelne Lieder. Es ist also sehr spannend, wie die Zuhörer auf ein Album wie "Bad Stream" reagieren werden.
Retro-Trends: Seit einigen Jahren habe ich das Gefühl, dass wir uns in einer permanenten Gegenwart befinden. Als ich jung war, haben wir Musik aus den 80ern und 90ern gehört und darin Inspiration gefunden. Unsere Eltern hatten die 60er und 70er Jahre - am Ende ist aber immer wieder Neues entstanden. Wenn du einen Song aus den 70ern gehört hast, wusstest du, aus welchem Jahrzehnt er stammt. Mittlerweile gibt es Musik, die wie eine perfekte Kopie eines alten Sounds klingt, aber erst ein, zwei Jahre alt ist. Auch deshalb, weil es kein Problem ist, innerhalb weniger Sekunden jeden Song zu finden. Unser Zeitempfinden ist uns hier abhanden gekommen und deshalb kann man sich nur rückwärts orientieren. Live-Auftritte: Ein Konzeptalbum live auf die Bühne bringen - das hört sich komplizierter an, als es ist. "Bad Stream" ist nicht nur Musik, es ist Video, es ist Kunst und es ist Performance. Alle Bereiche spielen zusammen und fließen ineinander. Das ist natürlich auch ein Statement für unser heutiges Kunstempfinden. Ich habe immer wieder Ideen des Albums bei Solokonzerten oder in DJ-Sets ausprobiert - das Publikum fand sie sehr gut. Schwer wird eine Liveperformance von "Bad Stream" also nicht. Viel eher ist es noch einmal eine komplett andere Möglichkeit, sich mit dem Album zu beschäftigen.
"Frittenbude"-Zukunft: Stimmt schon, Jakob, Strizi und ich sind gerade allein unterwegs. Das heißt aber nicht, dass es nichts Neues von "Frittenbude" geben wird. Wir hatten schon immer unsere eigenen Projekte, die wir neben der Band durchgezogen haben. Das bringt uns immer neue Ideen für "Frittenbude". Jetzt gerade arbeiten wir an einem neuen Album, das nächstes Jahr erscheinen wird. -seg-