Buchtipp
Scharfe Kritik: Johanna Graßl über ein politisches Buch
9. September 2016, 12:23 Uhr aktualisiert am 9. September 2016, 12:23 Uhr
Deutlich umfassender als die Tagespresse der vergangenen Woche - so betrachtet Gerd Pfitzenmaier in seinem Buch "Wir schaffen das - aber so nicht. Wie Deutschland und seine Gesellschaft durch die Flüchtlingskrise gespalten wird" die aktuelle gesellschaftliche Situation in Mitteleuropa. Die Ursachensuche des Journalisten geht tiefer und weist auf frühere und gegenwärtige Versäumnisse der Politik hin, die in die momentane Lage führen - welt- und innenpolitisch. Er nennt dabei zum Beispiel die gescheiterte Integration der ersten Gastarbeitergenerationen, die zwar zum Arbeiten willkommen waren und doch meist nur als "Gäste", viel zu selten als Mitbürger wahrgenommen wurden. Auch die ethisch zu hinterfragenden Handelsbeziehungen Deutschlands mit dem Nahen und Mittleren Osten erläutert der Autor.
Neben seiner scharfen Kritik an der Uneinigkeit, Unentschlossenheit und Halbherzigkeit - beinahe Hilflosigkeit - der momentanen Politik, stellt er die Gefahren dar, die er in einer Psychologie der Angst sieht, die nach den zahlreichen Gewalt- und Terrorakten und deren Darstellung in den Medien in weiten Teilen der Gesellschaft wirkt und immer mehr zu Radikalisierungen in alle Richtungen führt. Doch Pfitzenmaier erklärt nicht nur, was alles schief gelaufen ist: Er hat eine Vision voller realistischer Ideen, wie die Situation gewendet werden kann. Er nennt zahlreiche Beispiele aus Vergangenheit und Gegenwart, wie ein interkulturelles Miteinander innerhalb der Grenzen von Menschenrechten und Individualität zu einer Herausforderung voller wertvoller Chancen werden kann. Kleine, alltägliche Initiativen, die zu gegenseitigem Verständnis beitragen, wie sich bereits so viele entwickelt haben, und ein klar wegweisendes, diese förderndes politisches Leitbild müssen, so Pfitzenmaier, dafür stärker zusammenwirken.
Das Buch führt außerdem viele Statistiken an. So wird aus dem Buch eine aktuelle Lektüre für alle, die wirklich mitreden wollen und es mit der Demokratie ernst meinen. Denn erst, wenn wir versuchen, ernsthaft und gerecht Lösungen für Fragen zu suchen, bei denen es um das Schicksal so vieler Menschen geht - nicht nur "unseres", sondern auch das der sogenannten "Anderen" - werden wir selbst wieder jenen Grundwerten gerecht, die Autor Gerd Pfitzenmaier für unsere Kultur als wesentlich und prägend betrachtet, und um die so viele so sehr zu fürchten scheinen: Menschenwürde und Freiheit.