Jetzt ist der Bundestag am Zug
Corona-Maßnahmen könnten im März auslaufen
4. Februar 2022, 17:57 Uhr aktualisiert am 4. Februar 2022, 17:57 Uhr
Wie lange werden welche Corona-Maßnahmen noch aufrecht erhalten? In das Infektionsschutzgesetz ist bereits ein konkretes Ausstiegsdatum eingebaut. Es ist der 19. März.
In der Debatte über Lockerungen von Corona-Maßnahmen rückt der 19. März in den Fokus: Politiker der Ampel-Parteien halten es für möglich, dass Maßnahmen dann komplett wegfallen könnten. "Wir werden uns in den nächsten Wochen in aller Ruhe anschauen, ob eine Verlängerung der Corona-Schutzmaßnahmen über den 19. März hinaus überhaupt notwendig ist", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, der "Welt".
"Richtig ist, dass die gesetzliche Grundlage der aktuellen Maßnahmen am 19. März ausläuft, wenn die Koalition mit ihrer Mehrheit nicht aktiv etwas anderes beschließt", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, der Deutschen Presse-Agentur. Wie es nach diesem Datum weitergehe, werde das Parlament verantwortungsvoll abwägen.
Enddatum für Verordnungen
Der 19. März steht explizit im Infektionsschutzgesetz als Enddatum für Verordnungen mit den bekannten Maßnahmen von der Maskenpflicht über Abstands- und Kontaktgebote, Hygienekonzepte bis hin zum Vorzeigen von Impf-, Genesenen- oder Test-Nachweisen zur Teilnahme an Veranstaltungen oder in Restaurants. Der Bundestag könnte die Gültigkeit einmalig um drei Monate verlängern. Jetzt stellt sich die Frage, ob es dazu kommen wird.
Die Ampel-Parteien hatten das Infektionsschutzgesetz im Herbst geändert. Der heutige Bundesjustizminister Marco Buschmann hatte damals gesagt: "Alle Maßnahmen enden spätestens mit dem Frühlingsbeginn am 20. März 2022." Dies gelte aber unter Vorbehalt - wenn nicht beispielsweise neue Mutationen auftauchten, gegen die Impfungen wenig taugten und die eine neue Bewertung nötig machten.
Fechner sagte, wenn Mitte Februar tatsächlich ein Rückgang der Omikron-Variante festgestellt werde, stelle sich die Frage, ob es die Einschränkungen im Frühjahr- und Sommer überhaupt noch brauche. "Wir müssen nun in der Tat tagesaktuell beobachten, ob die aktuelle Infektionswelle weiterhin nicht zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führt. Denn wir müssen den Blick auf die Rücknahme von Freiheitseinschränkungen richten, wenn die Lage dies zulässt", sagte Vogel.
Grüne sind zurückhaltend
Zurückhaltend äußerte sich der dritte Ampel-Koalitionspartner: "Solange die Infektionszahlen steigen und die Impfquote weiter zu niedrig ist, sind Signale zu lockern verfrüht", sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, der dpa. Vorsicht sei weiter geboten. "Es darf nicht passieren, dass wir durch voreilige Lockerungen den Erfolg der bisherigen Maßnahmen wieder gefährden."
Auch ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums bestätigte, dass nach dem Infektionsschutzgesetz die Rechtsgrundlage für die geltenden Corona-Maßnahmen am 19. März auslaufen würde. Dementsprechend sei dies sozusagen schon der langfristige Ausstiegsplan gewesen. "Wenn man daran etwas aus der Mitte des Parlaments ändern möchte, wird es sicherlich Diskussionen und Beratungen dort geben."
Wenn der Bundestag die Regelung nicht um drei Monate verlängert, hätten die Bundesländer nach Einschätzung des Verwaltungsrechtlers Hinnerk Wißmann von der Universität Münster auch keine Möglichkeit über den 19. März hinaus eigene Corona-Maßnahmen durchzusetzen. "Die momentan geltenden Corona-Regelungen sind nach dem ausdrücklichen Willen des Bundestags sachlich und zugleich auch zeitlich begrenzt worden. (...) Das Bundesgesetz sperrt als abschließende Regelung in Sachen Corona-Bekämpfung nach seinem Sinn und Zweck davon abweichende eigenständige Vorschriften der Länder", sagte er der dpa.
Wüst warnt vor Szenario
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte kürzlich davor gewarnt. Wenn der Bundestag nicht handle, stünden die Länder und Kommunen ab Mitte März oder spätestens nach einer Verlängerung faktisch ohne Schutzoptionen da.
Die Debatte über den richtigen Zeitpunkt von Corona-Lockerungen ging vor dem Wochenende weiter. Intensivmediziner sprachen sich gegen eine frühe Aufhebung von Maßnahmen aus. "Lockerungen der Corona-Maßnahmen, wie sie jetzt einige Bundesländer angekündigt haben, kommen zu früh", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Es wäre fatal, wenn wir durch zu frühe Lockerungen in eine Achterbahnfahrt mit erneut steigenden Infektionszahlen gerieten."
Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, plädierte in der "Rheinischen Post" dagegen für einen Plan für schrittweise Lockerungen. "Diesen Freedom Plan zu formulieren, ist nun wichtigste Aufgabe der Politik." Deutschland müsse lernen, mit Corona zu leben. "Manche meinen, die Pandemie sei erst vorbei, wenn keiner mehr an Corona stirbt. Das ist ein Irrtum: Corona wird wohl dauerhaft Teil des Krankheitsgeschehens bleiben."
Inzidenz erneut mit Höchstwert
Die Corona-Zahlen stiegen weiter. Heute meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 248.838 neue Fälle innerhalb eines Tages. Vor einer Woche waren es 190.148. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 1349,5 nach 1283,2 am Vortag und 1073,0 vor einer Woche. Erwartet wird der Scheitelpunkt der Omikron-Welle Mitte des Monats. In seinem am Donnerstagabend erschienenen Wochenbericht schreibt das RKI, die Belastung der Intensivstationen halte durch eine Vielzahl sehr schwer an Covid-19 erkrankter Personen, überwiegend aus der Delta-Welle, weiterhin an, zeige aber gegenwärtig noch keinen durch die Omikron-Welle verursachten steigenden Trend.
Währenddessen werden die Pläne einiger Bundestagsabgeordneter für eine Corona-Impfpflicht konkreter. Die sieben Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP schlagen in einem Eckpunktepapier vor, dass eine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 mit "dauerhaftem Aufenthalt in Deutschland" gelten soll. Sie wäre mit drei Impfungen erfüllt und befristet bis Ende nächsten Jahres. Das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" und die "Rheinische Post" hatten über das Papier berichtet, das auch der Deutschen Presse-Agentur vorlag. Dem Vorschlag zufolge würden die Krankenkassen eine wesentliche Rolle bei der Umsetzung spielen, sollte das Gesetz in Kraft treten. Sie würden ihre Versicherten informieren, über ein Impfportal den Impfstatus abfragen und speichern. Wer keinen Nachweis erbringt, dem sollen den Plänen zufolge Bußgelder drohen, zur Not auch mehrfach.