Krieg in Nahost

Israel und Libanon: UN-Hochkommissar warnt vor Krieg


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«Ich bin extrem besorgt über die eskalierende Lage zwischen dem Libanon und Israel», sagt UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk (Archivbild).

Von dpa

UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk warnt vor einem weiteren großen Konflikt im Nahen Osten. "Ich bin extrem besorgt über die eskalierende Lage zwischen dem Libanon und Israel", sagte der Hochkommissar vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf. Türk rief dazu auf, die Kämpfe einzustellen und alles dafür zu tun, "um einen vollständigen Krieg abzuwenden".

Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor mehr als acht Monaten kommt es täglich zu militärischen Konfrontationen zwischen der israelischen Armee mit der Hisbollah-Miliz im Libanon sowie anderen Gruppierungen im Grenzgebiet zwischen den Ländern. Laut Türk sind bereits 401 Menschen im Libanon und 25 Menschen in Israel getötet worden. Zehntausende Menschen auf beiden Seiten hätten wegen des Konflikts ihre Häuser und Wohnungen verlassen müssen.

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Demonstranten fordern in Jerusalem Neuwahlen und die Freilassung der Geiseln, die im Gazastreifen von der Hamas festgehalten werden.

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Amos Hochstein (l) bemüht sich um eine Eindämmung des Konflikts zwischen Israel und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah - hier schüttelt er die Hand von Parlamentspräsident Nabih Berri.

Zum Auftakt der mehrwöchigen Sommersitzung des Menschenrechtsrates beklagte Türk auch die insgesamt mehr als 120.000 Verletzten und Toten im Gaza-Krieg und die weltweite Zunahme von kriegerischer Gewalt.

Die libanesische Hisbollah-Miliz veröffentlichte nach eigener Darstellung Aufnahmen aus Nordisrael aus der Luft angefertigt und heute. Die Bilder sollen etwa den Hafen von Haifa und andere wichtige strategische Orte in der Gegend zeigen und von einer Drohne aufgenommen worden sein. Es war zunächst unklar, wann genau sie angefertigt wurden. Das gezeigte Material ließ sich zunächst nicht unabhängig verifizieren. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, die Berichte zu prüfen.

Womöglich ist das von der Hisbollah veröffentlichte Video als Drohung zu verstehen, dass die proiranische Miliz die Gebiete im Falle einer Eskalation angreifen könnte. Der israelische Kan-Sender sprach von einer "beunruhigenden Dokumentation".

Der US-Gesandte Amos Hochstein setzt im Libanon derweil seine Bemühungen um eine Waffenruhe zwischen Israel und der Schiitenmiliz Hisbollah fort. Hochstein traf in Beirut zunächst den Parlamentspräsidenten Nabih Berri. Dieser gilt als wichtiger Verbündeter der Hisbollah.

Nach dem Treffen mit Berri sagte Hochstein, die USA arbeiteten daran, eine größere Eskalation der Gewalt zwischen Israel und der Hisbollah zu verhindern. Er beschrieb die Lage als sehr ernst. "Wir haben in den letzten Wochen eine Eskalation gesehen und (US-Präsident Joe) Biden will eine weitere Eskalation bis hin zu einem größeren Krieg verhindern", sagte der Gesandte. "Wir glauben, dass es einen Weg zu einer diplomatischen Lösung gibt, wenn beide Seiten dem zustimmen."

Hochstein traf auch den libanesischen Ministerpräsidenten Nadschib Mikati. Dieser sagte nach dem Gespräch: "Der Libanon strebt keine Eskalation an." Er warf Israel zugleich vor, die libanesische Souveränität zu verletzen. Er kritisierte "systematische Tötungen und Zerstörungen". Tote gab es bereits auf beiden Seiten. "Wir versuchen weiterhin, die Eskalation zu stoppen, Sicherheit und Stabilität wiederherzustellen."

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kritisiert, dass die US-Regierung derzeit Waffenlieferungen an Israel zurückhält. Er habe US-Außenminister Antony Blinken kürzlich in Israel gesagt, es sei "unbegreiflich, dass die Regierung Israel in den vergangenen Monaten Waffen und Munition vorenthalten hat", sagte Netanjahu in einer Videoansprache. "Außenminister Blinken hat mir versichert, dass die Regierung Tag und Nacht daran arbeite, diese Engpässe zu beseitigen. Ich hoffe wirklich, dass dies der Fall ist."

US-Außenminister Antony Blinken wies die Kritik zurück. Die USA hätten sich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Israel über das verfüge, was es brauche, um sich gegen eine Vielzahl von Bedrohungen zu verteidigen, sagte er auf Nachfrage in Washington. Daran halte man fest.

In Israel haben am Abend wieder Tausende Menschen gegen die Regierung und für die Freilassung der noch immer im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln protestiert. In der Nähe des Parlamentsgebäudes in Jerusalem forderten die Demonstranten Neuwahlen, wie mehrere israelische Medien berichteten. Es ist der dritte Tag in Folge, an dem es im Land regierungskritische Demonstrationen gibt. Für die kommenden Tage sind weitere Kundgebungen geplant.

Seit Monaten gibt es in Israel immer wieder Massenproteste gegen die Regierung. Netanjahu wird von seinen Gegnern vorgeworfen, auf die Wünsche seiner extremistischen Koalitionspartner einzugehen und deshalb Verhandlungslösungen zu hintertreiben. Er bestreitet das und macht die Unnachgiebigkeit der Hamas für die Stagnation bei den indirekten Verhandlungen verantwortlich. Zuletzt nahm die Intensität der Proteste gegen die Netanjahu-Regierung zu.

Die Auflösung des Kriegskabinetts erfolgte gut eine Woche nach dem Rückzug von Minister Benny Gantz aus der israelischen Notstandsregierung. Aus Regierungskreisen hieß es, Netanjahu werde kritische Entscheidungen mit Blick auf die aktuellen Konflikte künftig in kleineren Foren besprechen.

Um nach dem Terrorangriff der Hamas und anderer extremistischer palästinensischer Gruppen auf den Süden Israel am 7. Oktober des vorigen Jahres Geschlossenheit zu demonstrieren, war Gantz dem dreiköpfigen Kriegskabinett beigetreten. Der frühere General und Verteidigungsminister erklärte allerdings vor einer Woche wegen Meinungsverschiedenheiten mit Blick auf den Gaza-Krieg seinen Rückzug. Er kritisierte, dass die Regierung keinen Plan für eine Nachkriegsordnung im Gazastreifen erarbeite.

Bei dem Terrorangriff am 7. Oktober wurden rund 1200 Menschen ermordet und weitere 250 als Geiseln verschleppt. Im Zuge des dadurch ausgelösten Krieges wurden nach - unabhängig nicht überprüfbaren - Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörden inzwischen mehr als 37.000 Palästinenser getötet.

Mit Blick auf die Kämpfe in Gaza gab sich die israelische Armee unterdessen zuversichtlich, ihre militärischen Ziele bei der Offensive in der südlichen Stadt Rafah bald zu erreichen. Die Hälfte der Kampfverbände der Hamas sei zerschlagen, 60 bis 70 Prozent des Territoriums der Stadt befänden sich unter "operativer Kontrolle" der israelischen Truppen, teilte die Armee mit. Es werde nur mehr noch einige Wochen dauern, bis die Militäroperation abgeschlossen sei.

Israels Armee hatte Anfang Mai den Einsatz in Rafah an der Grenze zu Ägypten gestartet. Erklärtes Ziel war die Zerschlagung der letzten Kampfverbände der Hamas. Das Vorhaben war international stark umstritten, weil sich damals mehr als eine Million Palästinenser in Rafah aufgehalten hatten. Die meisten von ihnen waren vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin geflohen. Fast alle dieser Menschen flüchteten inzwischen aus der Stadt in ein westlich gelegenes Gebiet, wo sie allerdings nur mit Schwierigkeiten versorgt werden können.

Bei neuen israelischen Angriffen im Gazastreifen sind nach palästinensischen Angaben 17 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt worden. In dem Flüchtlingsviertel Nuseirat im zentralen Abschnitt des Gazastreifens seien Leichen geborgen und in ein örtliches Krankenhaus gebracht worden, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa.

Im zentralen Abschnitt des Gazastreifens sei unter anderem der Kommandeur einer Scharfschützen-Zelle der Organisation Islamischer Dschihad mit einem gezielten Luftangriff getötet worden. Die Luftwaffe habe binnen eines Tages Dutzende von Terrorzielen im Gazastreifen angegriffen.


Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.