Zehntausende werden eingesperrt

Italien will mit Coronavirus betroffene Städte abriegeln


Mitarbeiter einer Fabrik in Casalpusterlengo, in der ein Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt ist, tragen auf der Straße Mundschutz.

Mitarbeiter einer Fabrik in Casalpusterlengo, in der ein Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt ist, tragen auf der Straße Mundschutz.

Von mit Material der dpa

Kein europäisches Land hat mehr Infektionen mit dem Virus Sars-CoV-2 registriert als Italien. Nun greift die Regierung zu drastischen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Zehntausende Menschen werden praktisch eingesperrt.

Italien hat den Kampf gegen den schlimmsten Ausbruch des neuen Coronavirus in Europa mit drastischen Maßnahmen aufgenommen. Um eine weitere Ausbreitung im Norden des Landes zu unterbinden, sollen nun die am stärksten betroffenen Städte abgeriegelt werden. Das teilte die italienische Regierung am Samstagabend mit. "Das Betreten und Verlassen dieser Gebiete ist verboten", sagte Regierungschef Giuseppe Conte. Betroffen seien zunächst knapp ein Dutzend Orte südöstlich von Mailand mit etwa 50 000 Einwohnern sowie Vo' im benachbarten Venetien mit rund 3000 Bewohnern.

In Italien waren bis zum Abend 76 Infektionen mit dem Virus Sars-CoV-2 erfasst worden, zwei Menschen sollen daran gestorben sein. Damit ist Italien das europäische Land mit den weitaus meisten erfassten Sars-CoV-2-Infizierten. In Deutschland wurden bisher 16 Fälle gemeldet, in Frankreich zwölf, darunter ein Todesfall.

Ministerpräsident Conte kündigte die Notfallmaßnahme nach Krisengesprächen mit der Zivilschutzbehörde des Landes an. "Das Ziel ist es, die Gesundheit der italienischen Bevölkerung zu schützen", sagt Conte. Zunächst sollten die Sicherheitskräfte die betroffenen Regionen abriegeln. "Wenn nötig, werden es auch die Streitkräfte sein", fügte Conte hinzu. Wer versuche, die Absperrungen zu umgehen, dem drohe "strafrechtliche Verfolgung". Er setze dennoch auf Verständnis der Bevölkerung.

Ein Aussetzen der innereuropäischen Reisefreiheit im Rahmen der Schengen-Zone sei vorerst nicht vorgesehen, sagte Conte.

Auch in Südtirol bereiteten sich die Behörden auf einen Notfall vor. Unter anderem empfahlen die Gesundheitsbehörden am Samstagabend dem Südtiroler Landeshauptmann Thomas Widmann vor, die Universität Bozem sowie Kitas und Kinderhorte für die kommende Woche zu schließen. Zudem sei ein medizinischer Notfallplan erstellt worden, berichtete die Website des Rundfunksenders Südtirol.

In Italien verteilten sich die Infizierten auf die Lombardei, Venetien und die Region Piemont. Nachgewiesen wurde der Erreger demnach unter anderem bei der Frau und einer Tochter des Mannes, der mutmaßlich Italiens erstes gemeldetes Covid-19-Todesopfer ist. Der italienische Zivilschutz sprach von einem zweiten Opfer, dessen Tod wohl auf die von Sars-CoV-2 verursachte Lungenerkrankung Covid-19 zurückzuführen sei. Beim ersten gemeldeten Toten handelt es sich um einen 78-Jährigen in Venetien, beim zweiten um eine Frau in der Lombardei. Der Ausbruch in der Lombardei geht auf einen 38-Jährigen zurück, der seit Mittwoch schwer erkrankt in der Klinik der Kleinstadt Codogno behandelt und tags darauf positiv auf den Erreger getestet wurde.

In zehn Gemeinden der Lombardei wurden Schulen und ein Großteil der Geschäfte vorübergehend geschlossen. Rund 50 000 Einwohner sind aufgerufen, möglichst zuhause zu bleiben. Großveranstaltungen wie Gottesdienste, Karnevalsfeste und Sportevents wurden verboten. Auch in Venetien wurden Maßnahmen beschlossen, die eine weitere Ausbreitung des Virus verhindern sollen.

In der Lombardei und in Venetien wurden für Sonntag alle Sportveranstaltungen abgesagt. Davon betroffen sind auch drei Serie-A-Spiele zwischen Inter Mailand und Sampdoria Genua sowie zwischen Hellas Verona und Cagliari Calcio. Auch die Partie Atalanta Bergamo gegen Sassuolo wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Am Nachmittag war bereits das Zweitliga-Spiel zwischen Ascoli Calcio und US Cremonese abgesagt worden.

In Mailand kündigte Modezar Giorgio Armani im Gespräch mit der Agentur Ansa an, dass seine für Sonntag geplante Modeschau vor leeren Rängen abgehalten werde. Die Show als Teil der Modewoche werde lediglich als Livestream zu sehen sein, um die Gefahr einer Ansteckung mit dem Virus zu minimieren.

Am Samstagmorgen war in Rom ein Armeeflugzeug mit 19 Italienern angekommen, die an Bord des Kreuzfahrtschiffs "Diamond Princess" in Japan für zwei Wochen unter Quarantäne gestellt worden waren. Sie werden nun in einem Militärkomplex in Rom unter Quarantäne gestellt. Unter den Passagieren der "Diamond Princess" hatte es hunderte Infizierte gegeben, zwei Japaner starben.

Angesichts der Lage in Italien bereitet sich Frankreich auf eine Ausbreitung des Coronavirus vor. Die Lage im Nachbarland werde "aufmerksam verfolgt", sagte Gesundheitsminister Olivier Véran im Gespräch mit dem "Le Parisien" (Sonntag). "Eine Epidemie? Wir bereiten uns darauf vor", wurde der Minister zitiert.

Auch auf der koreanischen Halbinsel spitzt sich die Lage zu: Nach dem Ausbruch der Lungenkrankheit haben die Gesundheitsbehörden des Landes zwei weitere Todesopfer in Verbindung mit dem Virus gemeldet. Zudem sei die Zahl der Menschen, die sich mit Sars-CoV-2 angesteckt haben, über die Nacht zum Sonntag um 123 auf 556 gestiegen, teilten die Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention mit. Der Großteil der neuen Fälle konzentriert sich erneut auf die südöstliche Millionen-Stadt Daegu und deren Umgebung. Die Zahl der Todesfälle erhöhte sich auf vier.

In China sind erneut fast 100 Menschen dem neuartigen Coronavirus zum Opfer gefallen. Die Pekinger Gesundheitskommission meldete am Sonntag 97 weitere Tote, womit die Gesamtzahl der Opfer seit Ausbruch Krankheit in China auf 2442 gestiegen ist. Die Zahl neu bestätigter Infektionen kletterte um 648 auf 76 936.